Hintergrund: Ökodörfer als Innovationsträger für eine nachhaltige Wirtschaft

Read in English: Sustainable Lifestyles and Commons

 

Eine Vielzahl biologischer Systeme (Meere, Böden, Urwälder, Tier- und Pflanzenwelten) sind durch unser modernes Verbrauchsverhalten massiv gefährdet. Die Bevölkerungen der Industrieländer verbrauchen darüber wesentlich mehr der weltweit verfügbaren Ressourcen und belasten mit ihren umweltschädlichen Emissionen weit mehr die planetarischen ökologischen Senken, als es ihnen gemäß ihrem globalen Bevölkerungsanteil zusteht. Die Weltgemeinschaft hat sich darauf geeinigt, dass die globale Erwärmung unserer Erdatmosphäre unter einer Grenze von 2 Grad Celsius gehalten werden soll, um den bereits stattfindenden Klimawandel in seinen schlimmsten Auswirkungen einzudämmen. Legt man die Analysen der höchsten wissenschaftlichen Autorität in Sachen Klimawandel – dem International Panel for Climate Change (IPCC) – zugrunde, so bedeutet dies für die OECD-Länder, ihre Emissionen bis 2050 um bis zu 95% zu mindern. Diese Vorgaben erfordern einen weitgehende Anpassung unserer Lebensstile.

Im Angesicht der großen ökologischen Krisen und unter dem Eindruck der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise werden heute Wirtschaftsformen gefordert, die in umfassendem Maße ökologisch effizient, ressourceneffizient, gerecht und nachhaltig sind. Wirtschaftsformen hängen aber von einer Vielzahl an sozialen Bedingungen ab und sind entscheidend mit Lebensstilen verknüpft. Deshalb wird in der Gesellschaft der Ruf nach Wirtschaftsformen laut, die mit neuen Lebensstilen so verknüpft sind, dass sie diese mit moderner Kreislaufwirtschaft und Suffizienz absichern und zur Wohlstandsicherung nicht mehr auf die wachstumsorientierten Strategien der staatlichen und marktwirtschaftlichen Wirtschaftsformen angewiesen sind.

Ökodörfer als Bestandteil einer weltweiten Commonsbewegung

Seit etwa 5 Jahren haben ökonomische Ansätze, die jenseits von Staat und Markt, als auch in Ergänzung von Staat und Markt wirken, das Interesse der Öffentlichkeit entwickelt: Commons, Gemeingüter oder Allmenden. Ökodörfer können als Konzentrationspunkte der Gemeingüterökonomie verstanden werden, die sich vor allem auf den Erhalt, die Pflege und die Weiterentwicklung ökologischer und sozialer Gemeingüter konzentrieren, um nachhaltige Lebensstile zu entwickeln und als verbreitungsfähige Sozialform auszubauen. Daneben gibt es andere Allmendeansätze, die sich mehr an die Lebensstile, Konsumgewohnheiten und Wertvorstellungen der großstädtischen Milieus orientieren: digitale und kulturelle Allmendebewegungen; Netzaktivisten, Open Source and Open Hardware Movement; moderne Hacking- und Do-it-Yourself-Bewegung; Peer-to-Peer-Ökonomie; Guerillia Gardening und interkulturelle Gärten.

Ein Ausdruck der neuen Gemeingüterbewegung sind Ökodörfer und andere „Intentional Sustainable Communities (ISC)“. Als Ökodorf wird dabei eine größere intentionale oder auch traditionelle Gemeinschaft verstanden, die bewusst durch partizipative Prozesse gestaltet wird. Sie arbeitet mit lokalen Besitzstrukturen und hat zum Ziel, die soziale und natürliche Umwelt zu schützen und zu regenerieren. Heute gibt es etwa 500 Ökodörfer in Europa, davon etwa 30 in Deutschland.

Mit ihrem Bestreben, Lebensstile zu etablieren, die möglichst unbegrenzt in die Zukunft fortgeführt werden können oder sogar die natürliche Umwelt regenerieren, sind Ökodörfer in den letzten 25 Jahren zu Modellen herangereift, die einen Lebensstil der ökologischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Nachhaltigkeit etablieren. Als intentionale Gemeinschaften praktizieren sie soziale Formen der Begegnung, die ein hohes Maß an Nähe, Solidarität und Mitbestimmung ermöglichen und so einen weiteren Anreiz geben können, im persönlichen Konsum und Produktionsverhalten ökologisch achtsam und ressourcensparend zu agieren. Um ihre Ziele zu erreichen, werden unterschiedliche Aspekte wie ökologisches Design, ökologisches Bauen, Permakultur, nachhaltige Produktion und erneuerbare Energien angewandt. Sie haben teilweise eine beachtliche Größe erreicht und eigenständige Strukturen für Leben, Wohnen, Arbeiten, Wirtschaften, Ernährung und Unterhaltung geschaffen. Im Bereich des Klima- und Ressourcenschutzes haben sie durch eigene technische Lösungen, aber auch durch die Baugestaltung, soziale Abläufe oder Verhaltensregeln eine bemerkenswerte Effizienz beim Ressourcenverbrauch entwickelt

Es finden sich in Ökodörfern umfangreiche Potentiale, die für die gesellschaftliche Transformation hin zu CO2- und Ressourceneffizienz genutzt werden können. Zu den entwickelten Lösungsansätzen der Ökodörfer gehören nicht nur technisch-ökologische Innovationen sondern auch viele methodische und kulturelle Vorgehensweisen, um partizipative, ermächtigende Prozesse zu unterstützen. Aber in weiten Teilen der Gesellschaft sind sie bislang noch nicht als Katalysator für Innovation und als mögliche Modelle und Lernorte für nachhaltige Entwicklung erkannt worden.

Wandel von Wirtschaft und Leben

Der Austausch von Wissen und Praktiken für neue Wirtschaftsformen zwischen Ökodörfern und Unternehmern der nachhaltig orientierten Wirtschaft ist bisher nur rudimentär. Kooperationen mit Öko-Dörfern, Öko-Siedlungen und Transition Town Initiativen können für die Wirtschaft die Möglichkeit bieten, Innovationen und Weiterentwicklungen solcher Communities für den eigenen Innovationsprozess zu nutzen. Andererseits können durch gemeinsame Kooperation neue Technologien in einem Umfeld zur Anwendung gebracht werden, wo sie durch die unmittelbare Nutzung durch Gemeinschaften und erfahrene Einzelpersonen schneller an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst und weiter entwickelt werden können..

Aktivitäten von e5

Ab dem 1. März 2013 startet e5 in Kooperation mit GEN (Global Ecovillage Network) die Veranstaltungsreihe: „Nachhaltige Lebensstile durch Gemeingüterökonomie“ (mehr Informationen siehe hier). Das Projekt sieht vier Experten-Roundtables in verschiedenen Teilen Deutschlands sowie eine Abschlusskonferenz an der Universität Köln am 17./18 Oktober 2013 vor. Dort sollen sich VertreterInnen aus Ökodörfern, Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung sowie städtische AktivistInnen anderer Gemeingüteransätze über das wirtschaftliche Innovationspotential von Ökodörfern u.ä. verständigen und Chancen, Herausforderungen und Handlungsbedarf identifizieren. „Wirtschaft“ wird dabei ganzheitlich verstanden und umschließt die wirtschaftlichen Prozesse und Effekte im Sozialleben von Ökodörfern (z.B. das Teilen von Räumen oder gemeinschaftliche Sozialleistungen bei der Kinderbetreuung), ihr kulturelles Leben (z.B. Bildungswesen), genauso wie ökologische und technische Innovationen. Innerhalb der Roundtables werden Best-Practice-Beispiele aus Ökodörfer vorgestellt und daraufhin untersucht, ob und wie diese auf (groß-)städtische Gegebenheiten angepasst werden können.

Durch die Veranstaltungsreihe soll auch eine Verständigung zwischen ökologischen Lifestyle-Avantgarden, nachhaltig orientierten UnternehmerInnen des Mainstream und CommonsaktivistInnen, die eher Bedürfnisse urbaner Milieus adressieren, gefördert werden.

Eine abschließende Studie wird folgende Fragen ausloten: Können Ökodörfer wirklich Ansatzpunkte für ein ökologisch sanftes Leben von breiten Teilen der Bevölkerung in modernen Industriegesellschaften liefern und wenn ja, wo? Welche Mechanismen können bei der Verbreitung von sozialen, technologischen und ökonomischen Innovationen, die in Ökodörfern entwickelt wurden, helfen?

Ansprechpartner für das Projekt: GEN

Global Ecovillage Network of Europe (GEN)
Jonathan Klodt
Hohenfriedbergstr. 8
10829 Berlin
Tel:+49 30 69206937

E-Mail: jonathan.klodt@gen-europe.org

Ansprechpartner für das Projekt: e5

European Business Council for Sustainable Energy (e5)
Katalin Kuse
Projekt Managerin
Tel:+49 178 6935137
E-Mail: katalin.kuse@e5.org

 

Förderung durch das Bundesumweltministerium