Digital Commons und Commons in Intentionalen Gemeinschaften

Read in English: Expert Roundtable 1 – Commons in Intentional Communities

 

Gedankliche Einführung für den
Experten Roundtable „Commons in Intentional Communities“
(21. Mai 2013)

 

Ökologische Commonsaktivisten und digitale Commonsaktivisten können als zwei Flügel der weltweit entstehenden Gemeingüterbewegung begriffen werden. Doch dies bedeutet nicht, dass ein koordiniertes und aufeinander bezogenes Handeln sowohl im politischen Raum als auch bei der Bewahrung, Etablierung und Pflege von Gemeingüter vorhanden ist. Beide Commons-Bewegungen teilen zwar ein tieferes Verständnis von Nachhaltigkeit und besitzen ähnliche Konzepte von einem Guten Leben. Ein Verbindung würde die Tragfähigkeit als auch die Reichweite der von beiden Seiten jeweils entwickelten ökonomischen und sozialen Strukturen sicherlich stärken. Doch ein umfassendes oder stabiles Bündnis zwischen ihnen besteht bisher nicht – falls es überhaupt eines gibt.

Das mag zum einen daran liegen, dass unterschiedlichen Vorstellungen zum Konzept der Fülle in beiden Milieus vorherrschend sind. Ökologische Commoners orientieren ihr Handeln oft an der Tatsache, dass die stofflichen Ressourcen der Erde begrenzt sind. Böden können nur begrenzt übersäuert werden, Meere nur begrenzt überfischt, die globale Atmosphäre nur begrenzt mit CO2 angereichert werden – ohne dass dies weitreichende Auswirkungen auf das Leben von Pflanzen, Tieren und Menschen hat. Oft dominiert eine ausgesprochene Skepsis gegenüber wirtschaftlichem Wachstum und technologischem Fortschritt. Digitale Commoners dagegen orientieren sich oft daran, dass Information prinzipiell uneingeschränkt geteilt werden kann und dabei nicht weniger wird: „Der, der eine Idee von mir erhält, erhält damit Unterweisungen für sich selbst, ohne mich um meine zu bringen, so wie der, der seine Fackel an meiner entzündet, das Licht empfängt, ohne mich ins Dunkel zu stürzen“, ist ein oft zitierter Satz von  Thomas Jefferson. Angesichts der rasanten Verbreitung von Informationstechnologien und dem Wachstum des Internets herrscht ein gewisser Optimismus vor.

Analog zu diesen Vorstellungen sind auch der Wohnort und die lebensweltlichen Orientierungen deutlich verschieden: Während sich die digitalen Commons-Aktivisten eher an den Lebensweisen großstädtischer Milieus orientieren und einen besonderen Bezug zu technologischen Errungenschaften der modernen Kommunikationsgesellschaft haben, ist für ökologische Commons-Aktivisten das Ideal einer Selbstversorgung im ländlichen Raum mit möglichst wenig High-Tech prägend. Alter, Wohnort, Weltanschauung, Lebensstil und Kommunikationsweisen beider Milieus sind deutlich verschieden. Die Commons-Ökonomien beider Milieus spiegeln diese verschiedenen Lebensideale wieder und vertiefen die Spaltung.

Ökodörfer: Wohlstand auch für Geringverdiener

Wie können beide Bewegungen miteinander verbunden werden? Wie können sie voneinander profitieren? Ansätze dafür gibt es: Mit ihrer ganzheitlichen Auffassung sind Ökodörfer wichtige Experimentierorte für gemeingütersensitives Wirtschaften. Sie haben nicht nur umfassende nachhaltige Lebensstile entwickelt, sondern auch intelligente Strukturen für Niedrigverdienende. Dies wird beispielsweise deutlich am hohen Wohnkomfort, der Organisation von Kinder- und Altenbetreuung, den auf individuelle Bedürfnisse abgestimmte Räumlichkeiten, den niedrige Preise für hochwertiges Essen, der medizinische Versorgung und Mobilität. So sichern sie den Wohlstand ihrer Mitglieder, auch wenn diese häufig nur ein geringes finanzielles Einkommen besitzen –  ein Umstand, der durchaus von Belang ist für viele ‚Digitals‘ und ‚Native Digitals‘, die als ‚ewige Generation Praktikum‘ eher in prekären Lebensumständen leben. Zudem besitzen Ökodörfer eine reichhaltige Erfahrung bei der sozialen Organisation von Entscheidungsprozessen, Klärung von Konflikten und Organisation des Alltagslebens. Ökodörfer bieten damit geeignete Bedingungen für Familiengründung und -Stabilität. Ihr Gemeinschaftsleben lässt dabei Platz für Erfahrungs- und Experimentierräume.

Digitale und andere städtische Commonsaktivisten als Botschafter eines neuen Verständnisses von Mitgestaltung

Die digitalen Commoners, meist jünger als die Menschen aus Ökodörfern, sind dagegen tief verwurzelt in städtischen Milieus und haben Zugang zum modernen Kulturbetrieb. Sie entwickeln neue technische Werkzeuge, die Kommunikation über geographische Distanzen vereinfachen und beschleunigen. Sie vereinfachen die kulturelle Produktion und Verbreitung vom Musik, Film und Literatur. Sie beobachten, kreieren und partizipieren an kulturellen und künstlerischen Trends. Genau wie die Bewohner von Ökodörfern stehen die großstädtisch orientierten Commoners hinter den Ideen von Teilhabe, Einbezug von Minderheiten und Graswurzelengagement. Ihre Lösungen leben vom Geben und Nehmen und haben häufig zum Ziel, die geldbasierte Marktökonomie zu überwinden. Die digitalen Commoners stellen dabei Wissen auf Plattformen wie Wikipedia oder Open Source Ecology frei zur Verfügung. Sie bieten freien Zugang zu Know-how und Erfahrung bzgl. der effektiven Koordination von politischen, sozialen und ökonomischen Aktivitäten durch das Internet. Diese Aktivitäten besitzen signifikante Auswirkungen auf die physische Welt (z.B. Crowd Sourcing, die Piratenpartei, Wikipedia oder Blogospheren).

Die Veranstaltungsreihe „Modelle gelebter Nachhaltigkeit“ ist Bestandteil einer größeren Projekts zum Nachhaltigkeitspotential von Ökodörfern (mehr Infos siehe hier). Es wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und dem Umweltbundesamt (UBA) gefördert.

 

 

Förderung durch das Bundesumweltministerium